Die Bedeutung der Aufgabe

Schul­büch­er sind heutzu­tage mehr als reine Auf­gaben­samm­lun­gen. Trotz­dem kommt der Auf­gabe eine über­aus bedeut­same Rolle im Unter­richt zu. Der Unter­richt selb­st kann nur dann stat­tfind­en, wenn eine soge­nan­nte “didak­tis­che Dif­ferenz” (Menck 2011: 20) gegeben ist. Darunter wird eine Dif­ferenz zwis­chen dem Ist-Zus­tand eines Men­schen, der etwas noch nicht kann oder weiss und dem Soll-Zus­tand, in dem dieses Wis­sen oder Kön­nen vorhan­den ist, ver­standen. Das Etwas, was der Men­sch wis­sen oder kön­nen soll, wird von Menck (2011: 20) Kul­tur genan­nt, die das Leben in der Gesellschaft und der Welt ermöglicht. Ist die didak­tis­che Dif­ferenz gegeben und damit die Bedin­gung für Unter­richt erfüllt, stellt sich die Frage, was den Prozess des Unter­richt­ens repräsen­tiert.

An diesem Punkt kommt die Arbeit zum Zug, die im Unter­richt häu­fig als Arbeit­sauf­trag oder eben als Auf­gabe for­muliert wird (vgl. Menck 2011: 19–22). Auf­gaben kön­nen unter­schiedliche Zwecke erfüllen. Es gibt Auf­gaben, die dazu dienen, das eigene vorhan­dene Wis­sen zu erforschen, zu prüfen und zu hin­ter­fra­gen. Auf­gaben kön­nen aber auch dazu einge­set­zt wer­den, neues Wis­sen zu erar­beit­en, also sich mit einem neuen The­ma oder ein­er Prob­lematik auseinan­derzuset­zen. Eben­so haben sie den Zweck, dieses neue Wis­sen oder Kön­nen zu fes­ti­gen und zu ver­tiefen, dabei tra­gen sie den Titel der Übungsauf­gaben. Aber auch Anwen­dungsauf­gaben, die zeigen, ob eine Prob­lem­lö­sung beherrscht wird, sind All­t­ag in der Schule. Sie treten häu­fig in der Form von Hausauf­gaben auf. Zum Schluss sind auch Trans­fer­auf­gaben zu nen­nen, die einen Trans­fer des erar­beit­eten Kön­nens und Wis­sens auf neue Sit­u­a­tio­nen bezweck­en.

Die neue Lehrkultur

Die Art und Weise, wie Auf­gaben in Schul­büch­ern aufge­baut sind, ist immer auch abhängig vom Ver­ständ­nis der Lehr-Lernkul­tur des Lehrplans und der Schulbuchautor*innen. In der soge­nan­nten neuen Lehrkul­tur wird die Steuerung des Unter­richts an den Zie­len und Inhal­ten des Ler­nens der SuS ori­en­tiert. Im Gegen­satz zu früheren Ver­ständ­nis­sen von Schule zeich­net sich die neue Lehrkul­tur dadurch aus, dass die SuS ihr Wis­sen und Kön­nen selb­st­tätig erar­beit­en und sich aneignen, durch Erfahrung und in einem sozialen Kon­text ler­nen. Das Ver­mit­teln des Wis­sens und Kön­nens durch die Lehrper­so­n­en wird abgelehnt, genau­so wie das reine Rezip­ieren und Nach­machen, denn es soll kein isoliert­er Auf­bau von Fak­ten­wis­sen erfol­gen. Die neue Lernkul­tur ori­en­tiert sich an kon­struk­tivis­tis­chen Grund­sätzen, der Unter­richt soll “vom Schüler her, mit dem Schüler und zum Schüler hin” (Wiater 2011: 32) geplant und gestal­tet wer­den.

Dieses im 21. Jahrhun­dert aktuelle Ver­ständ­nis von Schule erfordert auch, dass sich die Auf­gabenkul­tur mitverän­dert, da anson­sten diese Prinzip­i­en nicht erfüllt wer­den kön­nten (vgl. Wiater 2011: 31–32). In der neuen Auf­gabenkul­tur sollen Auf­gaben über zwei Funk­tio­nen ver­fü­gen. Erstens sollen sie ein Mit­tel sein, um Kom­pe­ten­zen erwer­ben zu kön­nen und zweit­ens sollen sie dazu dienen, Kom­pe­ten­zen zu über­prüfen und ihren Stand zu diag­nos­tizieren (vgl. Wiater 2011: 34). Laut Wiater (2011: 35) gibt es die fol­gen­den Anforderun­gen an Auf­gaben, die der neuen Auf­gabenkul­tur entsprechen wollen und damit als qual­i­ta­tiv hochw­er­tige Auf­gaben beze­ich­net wer­den kön­nen:

Anforderung

Aus­prä­gung
Kom­pe­tenzbezug

Ganze oder Teile von Kom­pe­ten­zen wer­den erar­beit­et

Prob­le­mori­en­tierung
Auf­gaben sind prob­le­mori­en­tiert, die Schü­lerin­nen und Schüler müssen diese lösen
Lösungswege

Mehrere Zugangs- oder Lösungswege wer­den ange­boten

Kon­struk­tivis­tisch
Die Schü­lerin­nen und Schüler bauen selb­st­ständig neue Ken­nt­nisse auf

Vari­a­tion

Anwen­dungs­bere­iche und Kon­texte wer­den vari­iert

Leben­snähe

Auf­gaben wer­den durch Zusatz­ma­te­ri­alien leben­snah gemacht

Wis­sensverknüp­fung

Grund­wis­sen wird mit neuem Wis­sen verknüpft

Rep­e­ti­tion

Auch länger zurück­liegende Inhalte wer­den aufge­grif­f­en

Auf­gabenart

Ver­schiedene Auf­gaben­typen wer­den darge­boten (z.B. offen, geschlossen,…)

Erwartung­shor­i­zont

Ein Erwartung­shor­i­zont für die Lösung und Bew­er­tung ist definiert

Schlüs­sel­wörter

Denk‑, Arbeits- und Hand­lungsweisen kom­men vor (z.B. nenne, beschreibe,…)

Dif­feren­zierung

Unter­schiedliche Kom­pe­ten­zniveaus wer­den berück­sichtigt

Metakog­ni­tion

Auf­gaben regen zur Metakog­ni­tion an


Dieser Text (oder Teile davon) stammt aus:

“Das gute Schul­buch” (Hug, Fabi­an (2020): Das gute Schul­buch. Brugg: PH FHNW).

Literatur

Kalc­sics, Katha­ri­na und Wil­helm, Markus (2017): Lern­wel­ten Natur — Men­sch — Gesellschaft – Aus­bil­dung: Fach­di­dak­tis­che Grund­la­gen. Bern: Schul­ver­lag plus.

Menck, Peter (2011): Auf­gaben — der Dreh- und Angelpunkt von Unter­richt. In: Matthes, Eva und Schütze, Sylvia (Hrsg.): Auf­gaben im Schul­buch. Bad Heil­brunn: Klinkhardt. (= Beiträge zur his­torischen und sys­tem­a­tis­chen Schul­buch­forschung). S. 19–29.

Wiater, Wern­er (2011): Auf­gaben im Schul­buch. In: Matthes, Eva und Schütze, Sylvia (Hrsg.): Auf­gaben im Schul­buch. Bad Heil­brunn: Klinkhardt. (= Beiträge zur his­torischen und sys­tem­a­tis­chen Schul­buch­forschung). S. 31–42.