Digitalisierung und Schule
Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Schliessungen von Primarschulen entstand nicht nur in der Schweiz ein grosser Bedarf an Möglichkeiten für das Unterrichten aus der Ferne. Während die Digitalisierung der Gesellschaft bereits seit vielen Jahren erfolgt, hat das Primarschulwesen darauf eher zögerlich reagiert. Döbeli Honegger (2016: 34) konstatiert einen gesamtgesellschaftlichen Leitmedienwechsel vom Buch zum Computer und präsentiert vier Argumente, warum digitale Medien in die Schule gehören (vgl. Döbeli Honegger 2016: 64–72).
Kategorie | Argument |
Lernen | Die Nutzung digitaler Medien kann das Lernen fördern. |
Lebenswelt | Digitales gehört in die Schule, weil es die Alltagsrealität der Schülerinnen und Schüler prägt. |
Zukunft | Digitale Kompetenzen sind heute eine notwendige Kulturtechnik. |
Effizienz | Mit digitalen Medien lassen sich gewisse Abläufe in der Schule effizienter gestalten. |
Der Einsatz von digitalen Medien ist kein Garant für einen besseren Unterricht oder nachhaltigeres Lernen. In einer Meta-Analyse von 1055 Studien konnte statistisch ausgewertet werden, dass «durch den Einsatz digitaler Medien im Unterricht weder eine klare Verbesserung noch eine klare Verschlechterung von Unterricht auszumachen ist» (Irion 2016: 27). Es gilt jedoch genauso für analoge Medien, dass sie alleine nicht zwangsläufig einen didaktischen Mehrwert bieten. Es ist die “geschickte Kombination aus Unterrichtsmethode, Inhalt und Medien” (Döbeli Honegger 2016: 68), die es ausmacht.
Das Digitale in der Lebenswelt
Dass das Digitale zu einem festen Bestandteil der heutigen kindlichen Lebenswelt gehört, dürfte jedoch unumstritten sein. 25% der Schülerinnen und Schüler der Schweiz besitzen bereits wenn sie in die Schule kommen ein eigenes Smartphone. Im Laufe der Primarschulzeit nimmt dieser Wert deutlich zu und liegt bei 82% in der 6. Klasse. Die Geräteverfügbarkeit von Smartphones im eigenen Haushalt hingegen ist quasi unabhängig von der Alterskategorie sehr hoch, er liegt bei 95% oder höher. Zudem werden die Geräte von 30% der Kinder täglich genutzt (vgl. Genner et al. 2018: 21–25, 34). Das Zukunftsargument dürfte ebenso einleuchtend sein. Kaum eine Branche der Arbeitswelt kann sich der Digitalisierung entziehen, womit digitale Kompetenzen zwangsläufig notwendig werden, wenn sich die SuS in der Welt der Zukunft zurechtfinden wollen. Beobachtungen zeigen jedoch, dass bei vielen älteren SuS und auch Studierenden nur ein unkritischer und oberflächlicher Umgang mit digitalen Medien stattfindet, womit der Stellenwert der Medienkompetenz umso grösser wird (vgl. Irion 2018: 4). Auch lassen sich Abläufe in der Schule mit Hilfe digitaler Medien effizienter gestalten. So hatten Lehrpersonen und auch die Schülerinnen und Schüler noch nie zuvor Zugriff auf eine so grosse Anzahl an Unterrichtsmaterialien, konnten diese einfacher austauschen oder auch selbst gestalten, wie durch die Möglichkeiten, die Computer und Internet mit sich bringen.
Digitale Schulbücher
Schulbücher werden ohnehin digital erstellt, womit sich der Aufwand für die Autoren und Verlage, eine digitale Version zu lancieren, in Grenzen hält. Digitale Schulbücher verfügen aber über ein viel weitreichenderes Potenzial: durch Erweiterungsdimensionen wie Multimedia, Interaktivität und Interaktion kann ein grosser Mehrwert für das Lernen an sich geschaffen werden (vgl. Nosko 2017: 8). Zu nennen sind erweiterte Lesemöglichkeiten, wie die Suche in einem Text, das Setzen von Lesezeichen, multiple Informationstypen wie Augmented Reality, Text, Bild, Ton und Video. Auch interaktive Elemente, die adaptives Feedback, Animationen und Simulationen zulassen und vernetzte Aktivitäten, die einfachere Rückmeldungen und das Teilen von Inhalten ermöglichen, werden erst durch digitale Schulbücher möglich (vgl. Nosko 2017: 9).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass qualitativ hochwertige und moderne Schulbücher sich der Digitalisierung nicht entziehen können und sollten und in der Zukunft eine bedeutsame Rolle spielen werden.
Dieser Text (oder Teile davon) stammt aus:
“Das gute Schulbuch” (Hug, Fabian (2020): Das gute Schulbuch. Brugg: PH FHNW).
Literatur
Döbeli Honegger, Beat (2016): Mehr als 0 und 1: Schule in einer digitalisierten Welt. 1. Aufl. Bern: Hep, der Bildungsverlag.
Genner, Sarah; Suter, Lilian; Waller, Gregor; Schoch, Pia; Willemse, Isabel und Süss, Daniel (2017): Ergebnisbericht zur MIKE-Studie 2017. ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. [https://www.zhaw.ch/storage/psychologie/upload/forschung/medienpsychologie/mike/Bericht_MIKE-Studie_2017_V2.pdf; 21.09.2020].
Irion, Thomas (2016): Digitale Medienbildung in der Grundschule — Primarstufenspezifische und medienpädagogische Anforderungen. In: Peschel, Markus und Irion, Thomas (Hrsg.): Neue Medien in der Grundschule 2.0: Grundlagen — Konzepte — Perspektiven. Frankfurt am Main: Grundschulverband e.V. (= Beiträge zur Reform der Grundschule Band 141). S. 16–32.
Irion, Thomas (2018): Wozu digitale Medien in der Grundschule? Sollte das Thema Digitalisierung in Grundschulen tabuisiert werden? In: Grundschule aktuell, Heft 142 (Mai). S. 3–7.
Nosko, Christian (2017): Entwicklungschancen und Sackgassen. Das digitale Schulbuch kommt zu sich selbst. In: Schuhen, Michael; Froitzheim, Manuel und Schuhen, Katrin (Hrsg.): Das elektronische Schulbuch 2016: fachdidaktische Anforderungen und Ideen treffen auf Lösungsvorschläge der Informatik. Berlin: LIT. (= Didaktik Band 17). S. 7–19.