Der Berufsauftrag der Lehrpersonen

Der Beruf­sauf­trag für Lehrerin­nen und Lehrer des Kan­tons Aar­gau definiert sich wie fol­gt: “Der Beruf­sauf­trag basiert auf den Bil­dungszie­len, den Lehrplä­nen und den weit­eren Anforderun­gen des jew­eili­gen Schul­typs” (Kan­ton Aar­gau 2016: 3). Weit­er erwäh­nenswert ist, dass unter der Beschrei­bung, was der Beruf­sauf­trag ins­beson­dere umfasst, “das Unter­richt­en gemäss Lehrplan (Pla­nung, Vor­bere­itung und Auswer­tung)” (Kan­ton Aar­gau 2016: 3) an erster Stelle aufge­führt ist. Dieser Beruf­sauf­trag ist nicht ein­fach eine Anweisung des Kan­tons, son­dern im Gesetz über die Anstel­lung von Lehrper­so­n­en (GAL) unter dem Kapi­tel “Pflicht­en der Lehrper­so­n­en” fest­ge­hal­ten. Zwar haben Lehrper­so­n­en ein Recht auf Unter­richts­frei­heit in der Wahl der Lern­ver­fahren und des Stoffs, jedoch nur im Rah­men der Lehrpläne und des Lehrauf­trags (vgl. Kan­ton Aar­gau 2002: 5–7).

Die Interessen des Staats

Aus der For­mulierung dieser Doku­mente ergibt sich, dass der Staat ein sehr gross­es Inter­esse daran hat, dass sein Lehrplan von den Lehrper­so­n­en umge­set­zt wird. “Lehrpläne sind ‘das pop­ulärste admin­is­tra­tive Lenkungsin­stru­ment’ des Staates” (Wiater 2005: 41), denn durch die Lehrpläne wird der Unter­richt normiert und kod­i­fiziert. Dies macht den Lehrplan zu einem direk­ten Steuerungsmit­tel des Staates für das Bil­dungswe­sen.

Im Schu­lall­t­ag haben jedoch Schul­büch­er einen deut­lich höheren Stel­len­wert als Lehrpläne. Dies hat ein­er­seits mit dem Umfang der Lehrpläne zu tun und ander­er­seits auch damit, dass Lehrpläne selb­st im Unter­richt fast gar nicht direkt einge­set­zt wer­den kön­nen. Der neue Lehrplan 21 der Schweiz wies Ende 2014, also kurz vor sein­er Fer­tig­stel­lung im März 2015, einen beachtlichen Umfang von 470 Seit­en, 363 Kom­pe­ten­zen und 2304 Kom­pe­ten­zstufen auf (vgl. D‑EDK 2014: 1). Obwohl dies gegenüber früheren Fas­sun­gen und anderen, damals aktuellen Lehrplä­nen eine Reduk­tion der Anzahl Ziele/Kompetenzen darstellt (vgl. D‑EDK 2014: 1), ist die schiere Menge kaum durch eine einzelne Lehrper­son überblick­bar, auch wenn die Anzahl Kom­pe­ten­zen auf die jew­eilige Schul­stufe und den jew­eili­gen Zyk­lus reduziert wird. Weil es sich bei Lehrplä­nen um Zusam­men­fas­sun­gen von Lehrin­hal­ten und Lehrzie­len han­delt (vgl. Wiater 2005: 42), benöti­gen sie ein Medi­um, um über die Lehrper­so­n­en die SuS erre­ichen zu kön­nen.

Schulbücher als Vermittler

Diese Ver­mit­tler­rolle kommt dem Schul­buch zu. Schul­büch­er wer­den daher auch die für den Staat «bevorzugten Instru­mente der staats­bürg­er­lichen Bil­dung und der nationalen Erziehung» (Läs­sig 2010: 199) genan­nt. Ihre Bevorzu­gung ergibt sich aus dem Fakt, dass Schul­büch­er für viele Men­schen die einzi­gen Büch­er sind, die sie in ihrem Leben je gele­sen und mit denen sie sich auseinan­derge­set­zt haben (vgl. Läs­sig 2010: 199).

Basierend auf diesen Grund­la­gen scheint es sin­nvoll, den Lehrplan­bezug eines Schul­buchs als Qual­ität­skri­teri­um zu sehen. Durch die Eval­u­a­tion der kan­tonalen Lehrmit­telkom­mis­sion des Aar­gaus scheint zwar gewährleis­tet, dass Lehrmit­tel, deren Ver­wen­dung oblig­a­torisch ist, weit­ge­hend Lehrplankon­form sind, dies gilt jedoch längst nicht für alle Fach­bere­iche. Zudem ver­lässt sich die Lehrmit­telkom­mis­sion des Kan­tons auf die Angaben der Interkan­tonalen Lehrmit­telzen­trale und der Ver­lage. Eine Ein­schätzung zur Kom­pat­i­bil­ität der Lehrmit­tel zum neuen Lehrplan ste­ht nach aktuellem Stand (31.08.2020) noch aus. Auch befind­en sich gewisse Schul­büch­er in ein­er Über­ar­beitungsphase und wer­den je nach dem erst evaluiert, wenn alle Lehrw­erk­steile zur Ver­fü­gung ste­hen, was bis 2024 dauern kann (vgl. Kan­ton Aar­gau 2020: 1–3).

Wie ein­gangs erwäh­nt, sind Lehrper­so­n­en geset­zlich verpflichtet, den Lehrplan umzuset­zen. Also wird die Qual­ität eines Schul­buchs erhöht, wenn es Lehrplankom­pat­i­bel gestal­tet ist. Diese Kon­for­mität begin­nt bei der Struk­turierung, geht weit­er über die Lernziele, die Inhalte und die Inte­gra­tion in den Auf­gaben. Zulet­zt ist auch bedeut­sam, wie mit der Lehrplankon­for­mität umge­gan­gen wird, also ob diese für Lehrper­so­n­en, aber auch für die SuS oder deren Eltern, sicht­bar gemacht wird.


Dieser Text (oder Teile davon) stammt aus:

“Das gute Schul­buch” (Hug, Fabi­an (2020): Das gute Schul­buch. Brugg: PH FHNW).

Literatur

D‑EDK (2014): Der Lehrplan 21 im Ver­gle­ich. [https://www.lehrplan21.ch/sites/default/files/vergleich_lehrplaene_2.pdf; 20.9.2020].

Kan­ton Aar­gau (2002): Gesetz über die Anstel­lung von Lehrper­so­n­en (GAL) — 411.200. [https://gesetzessammlungen.ag.ch/frontend/versions/2300; 20.9.2020].

Kan­ton Aar­gau (2016): Der Beruf­sauf­trag der Lehrerin­nen und Lehrer. Hg. von Departe­ment Bil­dung, Kul­tur, Sport — Abteilung Volkss­chule. [https://alv-ag.ch/scms/upload/Dokumente/BKS/Downloads/berufsauftrag_lehrerinnen_und_lehrer_16_17.pdf; 20.9.2020].

Kan­ton Aar­gau (2020): Kan­tonale Lehrmit­telpla­nung — Im Hin­blick auf den neuen Aar­gauer Lehrplan. Hg. von Departe­ment Bil­dung, Kul­tur, Sport — Abteilung Volkss­chule. [https://www.schulen-aargau.ch/media/schulen-aargau/unterricht/lehrplan-lehrmittel/bksvs-kant-lehrmittelplanung.pdf; 20.9.2020].

Läs­sig, Simone (2010): Wer definiert rel­e­vantes Wis­sen? Schul­büch­er und ihr gesellschaftlich­er Kon­text. In: Fuchs, Eck­hardt; Kahlert, Joachim und Sand­fuchs, Uwe (Hrsg.): Schul­buch konkret: Kon­texte — Pro­duk­tion — Unter­richt. Bad Heil­brunn: Ver­lag Julius Klinkhardt. S. 199–215.

Wiater, Wern­er (2005): Lehrplan und Schul­buch — Reflex­io­nen über zwei Instru­mente des Staates zur Steuerung des Bil­dungswe­sens. In: Matthes, Eva und Heinze, Carsten (Hrsg.): Das Schul­buch zwis­chen Lehrplan und Unter­richt­sprax­is. Bad Heilbrunn/Obb: Klinkhardt. (= Beiträge zur his­torischen und sys­tem­a­tis­chen Schul­buch­forschung). S. 41–63.