Die ers­ten Schulbücher

In ihrer frühs­ten Form exis­tie­ren Schul­bü­cher bereits seit dem Mit­tel­al­ter (ABC-Buch zur Ver­mitt­lung latei­ni­scher Gram­ma­tik) und ent­wi­ckel­ten sich ab 1419 zu soge­nann­ten Fibeln (Lese­tex­te aus der Bibel) wei­ter. Durch die Erfin­dung des Buch­drucks um 1444, die Refor­ma­ti­on Mar­tin Luthers um 1524 und dem damit ein­set­zen­den Bil­dungs­drang wur­den sie immer wei­ter ver­brei­tet. Bis in das 18. Jahr­hun­dert exis­tier­ten Fach­bü­cher so gut wie nicht, in den Ele­men­tar­schu­len wur­den vor allem die Bibel, der Kate­chis­mus und Fibeln ein­ge­setzt (vgl. Hil­ler 2012: 113–115).

Im Zuge der Ent­wick­lung des Schul­buchs zeich­ne­te sich eine Ten­denz deut­lich ab. Die Inhal­te soll­ten kind­ge­rech­ter, die Schul­bü­cher also “vom Kin­de aus” gestal­tet und damit qua­li­ta­tiv ver­bes­sert wer­den. Das Betrach­ten der Ent­wick­lung von Lese­lehr­mit­teln eig­net sich beson­ders gut, um die­sen Pro­zess nachzuvollziehen.

Kri­tik an Schulbüchern

Bis in die Mit­te des 18. Jahr­hun­derts konn­ten Lehr­mit­tel für die Ele­men­tar­schu­le von kate­che­ti­schen Lehr­mit­teln kaum unter­schie­den wer­den (vgl. Oel­kers 2001: 103). Das Ler­nen bestand aus einer Art Fra­ge und Ant­wort-Spiel, bei dem sche­ma­tisch aus­wen­dig­ge­lernt wer­den muss­te. Auch damals gab es bereits Leh­rer und Pfar­rer, die gegen die­se Art und Wei­se des Ler­nens pro­tes­tier­ten. Es wur­de kri­ti­siert, dass Kin­der eher Papa­gei­en als Men­schen gli­chen (vgl. Teist­ler 2007: 43) und dass die Auf­ga­ben nicht auf die Fähig­kei­ten der Kin­der bezo­gen waren, die sie eigent­lich errei­chen soll­ten (vgl. Crau­er 1786 zit. nach Oel­kers 2001: 107).

Obwohl bereits der berühm­te Phi­lo­soph Michel de Mon­tai­gne (1533–1592) for­der­te, dass eine Indi­vi­dua­li­sie­rung des Unter­richts statt­fin­den und die Selbst­tä­tig­keit der Kin­der im Fokus ste­hen müs­se (vgl. Matthes & Schüt­ze 2018: 32) und auch Päd­ago­gen wie Johann Amos Come­ni­us (1592–1670) schrie­ben, dass sich die Schu­le am Alter und den Anla­gen des Kinds aus­rich­ten müs­se (vgl. Matthes & Schüt­ze 2018: 33), dau­er­te es eine beträcht­li­che Wei­le, bis sich die­se Ansät­ze in der Schul­buch­pra­xis durch­ge­setzt hat­ten. Von der Mei­nung Jean-Jac­ques Rous­se­aus (1712–1778), der die bis­he­ri­ge Kin­des­er­zie­hung als schlecht bezeich­ne­te (vgl. Matthes & Schüt­ze 2018: 35) über die Ideen Johann Hein­rich Pes­ta­loz­zis (1746–1827), des­sen Ansät­ze zur Unter­richts­ent­wick­lung an die Mög­lich­kei­ten der ein­zel­nen Kin­der und ihrer indi­vi­du­el­len För­de­rung anknüpf­ten (vgl. Matthes & Schüt­ze 2018: 37), ent­wi­ckel­te der Päd­ago­ge Hein­rich Ste­pha­ni (1761–1850) die Lau­tier­me­tho­de, die sich in vie­len Fibel­wer­ken in der ers­ten Hälf­te des 19. Jahr­hun­derts eta­blier­te. Er ver­such­te damit, neu­en päd­ago­gi­schen Erkennt­nis­sen zu fol­gen und nicht nur Inhal­te, son­dern auch die Art und Wei­se des Ler­nens durch sei­ne Metho­de kind­ge­rech­ter zu gestal­ten (vgl. Teist­ler 2007: 45). 

Ent­wick­lungs­sprung

Durch ver­schie­de­ne gesell­schaft­li­che wie auch tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen, unter ande­rem die Erfin­dung des Vier­far­ben­drucks zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts, fand ein wei­te­rer gros­ser Ent­wick­lungs­sprung in der Gestal­tung der Fibeln statt. Die Ein­flüs­se der Reform­päd­ago­gik, die seit dem Ende des 19. Jahr­hun­derts auf die Schu­le und den Unter­richt ein­wirk­ten, rück­ten Kin­der in die Mit­te des Gesche­hens (vgl. Teist­ler 2007: 53–54). Otto Zim­mer­manns Han­sa-Fibel, die 1914 erschien, folg­te den Theo­rien des Anschau­ungs­un­ter­richts und hat­te ein “leben­di­ges Mit­ge­stal­ten einer Welt, die auf das Kind zukommt und die das Kind mit sei­nen eige­nen Akti­vi­tä­ten füllt” (Teist­ler 2007: 54) zum Ziel.

Damit wur­den die Inhal­te die­ser Schul­bü­cher zum ers­ten Mal dem Prin­zip der Ele­men­ta­ri­sie­rung unter­wor­fen, die auf die Gestal­tung der Schul­buch­in­hal­te bis heu­te einen gros­sen Ein­fluss hat.


Die­ser Text (oder Tei­le davon) stammt aus:

“Das gute Schul­buch (Hug, Fabi­an (2020): Das gute Schul­buch. Brugg: PH FHNW).

Lite­ra­tur

Hil­ler, Andre­as (2012): Das Schul­buch zwi­schen Inter­net und Bil­dungs­po­li­tik: Kon­se­quen­zen für das Schul­buch als Leit­me­di­um und die Rol­le des Staa­tes in der Schul­bil­dung. Mar­burg: Tec­tum Ver­lag. (= Wis­sen­schaft­li­che Bei­trä­ge aus dem Tec­tum-Ver­lag Rei­he Medi­en­wis­sen­schaf­ten 20).

Matthes, Eva und Schüt­ze, Syl­via (2018): Reform­päd­ago­gik vor der Reform­päd­ago­gik. In: Barz, Hei­ner (Hrsg.): Hand­buch Bil­dungs­re­form und Reform­päd­ago­gik. Wies­ba­den: Sprin­ger VS. (= Sprin­ger VS Hand­buch). S. 31–41.

Oel­kers, Jür­gen (2001): Erfah­rung, Illu­si­on und Gren­zen von Lehr­mit­teln. In: Tröh­ler, Dani­el und Oel­kers, Jür­gen (Hrsg.): Über die Mit­tel des Ler­nens. Zürich: Pes­ta­loz­zia­ni­um. S. 94–121.

Teist­ler, Gise­la (2007): Die Ele­men­ta­ri­sie­rung des Ele­men­tarle­se­bu­ches: Von der Kate­chis­mus­fi­bel zur Fibel «vom Kin­de aus». In: Matthes, Eva und Hein­ze, Cars­ten (Hrsg.): Ele­men­ta­ri­sie­rung im Schul­buch. Bad Heil­brunn: Klink­hardt. (= Bei­trä­ge zur his­to­ri­schen und sys­te­ma­ti­schen Schul­buch­for­schung). S. 37–58.